4 Sossenheimer Friedhöfe

Dieser Artikel ist unserer vielschichtigen Friedhofskultur gewidmet, die auf Empfehlung der Deutschen UNESCO-Kommission 2020 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Sie prägt auch unser Leben und unser Selbstbild, sie ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft in kultureller, historischer und sozialer Sicht. Dabei reflektiert die Leistungen unserer Vorfahren und die Grabstätten von Personen aus Kultur, Politik, Handwerk, Wirtschaft und natürlich der Sossenheimer Geschichte. Der Name Friedhof geht übrigens nicht auf das Wort "Frieden", sondern auf die alt- und mittelhochdeutschen Wörter "frithof" oder "vrithof" zurück, was für "umfriedeter Platz" steht. 

Die Übersicht der Sossenheimer Friedhöfe:
- Pfarrfriedhof St. Nikolaus (1218-1707), später (1706-1883) in St.Michael Friedhof umbenannt
- Pestfriedhof Dottenfeld/Totenfeld - damals außerhalb des Ortes etwa 16. und 17. Jahrhundert
- Friedhof Siegener Straße (ab 1883)
- Friedhof Kurmainzer Straße (ab 1885)

Pfarrfriedhof St.Nikolaus / St. Michael (1218-1883)

Der erste Sossenheimer Friedhof war der "alte Friedhof", der Kirchhof/Kirchfriedhof als Friedhofsanlage an der erstmals 1218 erwähnten St Nikolauskapelle. Auf den ersten drei handgezeichneten Karten von 1551-1575 ist die schiefergedeckte St. Nikolauskirche und das ummauerte Kirchhofgelände dargestellt. Damals und wahrscheinlich auch viel früher befand sich auf der eingefriedeten Fläche der Pfarrfriedhof. Im christlichen Mittelalter wurden die Toten entweder in einem Sarg oder Leichentuch bestattet. Kirche und Grab waren damals eine kultische Einheit. Es war der Wunsch der Christen in der Nähe der Kirche auf dem Kirchhof und so in der Nähe zu Gott begraben zu sein. Im Kirchenlatein wurden die Kirchhöfe damals auch "Coemeterium" genannt, also "Ruhestätte". Schon früh kümmerten in der katholischen Kirche sich Elendenbruderschaften um die Versorgung und Beerdigung von Armen, Wohnsitzlosen und Fremden wie die 1238 erwähnte


Blick vom "alten Friedhof" (Kirchhof) auf die klassizistische St. Michaelskirche

Laienbruderschaft der "guten Leute" im benachbarten Frankfurter Gutleuthof mit "Siechenhaus". Die 1349 gegründete und heute noch bestehende Paderborner Elendenbruderschaft mit der Aufgabe: „arme Fremdlinge, besonders Pilger, zu unterstützen, ihnen in Krankheitsfällen beizustehen, bei Todfall für ihr Begräbnis zu sorgen und für ihre Seelenruhe zu beten“ Heute ist das Armenbegräbnis in § 74 SGB XII geregelt. Aus Sossenheim sind Bruderschaften aus dem 17. Jahrhundert und früher bekannt.
Eine starkverwitterte alte Tafel, ein kleines Kreuz ohne Korpus, ein Pfingstwunderstein als Grabstein, eine Pieta und ein weiterer Grabstein mit Inschrift geben heute Hinweis auf den "alten Kirchhof" von St. Michael. Dort wurden die Kriegsteilnehmer aus den Befreiungskriegen und dem deutsch/französischen Krieg 1879/1871 begraben. Ein von Familie Kinkel gestiftetes großes Kreuz war am Ausgang, das Kriegerdenkmal neben dem Kirchenausgang, auf der anderen Seite der Kirche steht das Grab des Soldaten J. Moos 1870. 1908 fand man unter den Trittsteinen beim Anbringen der beiden Eingangstüren zwei Menschenschädel, die ungefähr 30 cm unter den Sandsteinen lagen. Dieselben wurden dort auf dem Friedhof wieder sorgfältig begraben.


Pestfriedhof Dottenfeld/Totenfeld (1347-1670)

Ein kaiserlicher Erlass von 1518 erlaubte, während der Pestepidemien 1347-1670 die Toten schnell und ohne Zeremonie außerhalb des Dorfes in Massengräbern zu bestatten. Der Sossenheimer Pestfriedhof Dottenfeld lag wegen der Seuchengefahr weit außerhalb des Dorfes und der Siedlung Breitenloch Richtung Rödelheim. Es gibt keine Spuren dieser damals angelegte Begräbnisstätte für die Pestleichen beider Siedlungen.

Bekannt ist aber, dass 1635-1666 und früher die Pest mehrfach in Frankfurt und Umgebung wütete. Für die Vermutung des Sossenheimer Pestfriedhofs sprechen die am südlichen Ende der Gemarkung Breitenloch gelegenen Flurbezirke „Am Totenfeld“ – mundartlich „Dottenfeld“ – und „Am Totenweg“.

Die Flur „Am Totenfeld“ liegt zwischen der A 661 und der A 5 in der Nähe des Westkreuzes Frankfurt an der Grenze zu Rödelheim und an der ehemaligen Flur „Am Totenweg“. Diese beiden Flurnamen sind nach dem 30-jährigen Krieg in verschiedenen Urkunden erhalten. Auch lernten die Schüler in der Volksschule lange Zeit vom Pestfriedhof "Dottenfeld". Nach der Flurbereinigung 1880 verschwand die Flur „Am Totenweg“ und nur die Flur „Am Totenfeld“ ist bis heute erhalten geblieben. Die „Dottenfeldstraße“ erinnert noch heute an die Begräbnisstätte.


Friedhof Siegener Straße seit 1883

Napoleons Reformdekret von 1804 hatte die Bestattungsordnung in den von ihm verwalteten Gebieten also auch in Sossenheim verweltlicht und neu gestaltet. Den Kirchen wurden die lukrativen Gruft-/Grabgelder genommen. Der erste Sossenheimer Pfarrfriedhof an der St Michaelskirche wurde wegen Hygienevorschriften geschlossen. Bestattungen waren aus Seuchengefahr innerhalb des Ortes verboten. Deshalb wurde 1883 der Friedhof Siegener Straße, dem Zeitgeist folgend, als Parkfriedhof in Form eines englischen Landschaftsgartens angelegt. Vorbild waren der kommunale „Neue Friedhof Frankfurt“ von 1828 und der Pariser Friedhof von 1804 („Cimetière du Père-Lachaise“). Der napoleonische Gleichheitsgedanke der einheitlichen Reihengräber wich bald auch in Sossenheim einem Standesdenken über den Tod hinaus mit klassizistischer Grabmalkultur, die auch bei Protestanten hohes soziales Prestige genoss. Da die Aufbahrung der Toten zuhause verboten war, wurde eine Trauerhalle errichtet. Die erste Bestattung, die auf diesem Friedhof stattfand, war die des Rekruten Peter A. Fay (*1843-†1870), der zum Militär nach Mainz einrückte und 1870 im Krieg gegen Frankreich verstorben ist. Der erste Totengräber war Jacob Fay, der in seiner 25-jährigen Dienstzeit 1.499 Personen begraben hat. Seit 1878 kennen wir Krematorien, und heute lassen sich fast 70 % der Menschen einäschern. Jährlich wird am Volkstrauertag in Sossenheim von der Katholischen St Michaelsgemeinde, dem VDK und dem Vereinsring eine Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof Siegener Straße abgehalten. Die Friedhofsgebühren stiegen nach der Eingemeindung 1928. 

Auf dem Friedhof gibt es Denkmalgeschütze Grabstätten für:
Juliane Kinkel, katholische Pfarrer Johannes Thome, Peter Wassmann Leo Peter,
Künstler Wilhelm Runze (mit Patenschaft des Kultur- und Förderkreises Sossenheim)
Bürgermeister Jakob Kinkel V (mit Patenschaft des Heimat- und Geschichtsvereins Sossenheim)

Kriegsgräber:
Es befanden sich auf dem Friedhof an der Siegener Straße links am Hauptgang, kurz vor der Trauerhalle zehn steinerne Kreuze für Veteranen aus dem Krieg 1870-71. Die Kriegsteilnehmer sind in ihrer Heimat verstorben und an einem gemeinsamen Platz beerdigt worden. Weiter steht ein Kriegerdenkmal auf dem Friedhof und auf privaten Grabsteinen sind noch einige Erinnerungs-Inschriften für im 1. Weltkrieg und zahlreiche für im 2. Weltkrieg Gefallene oder Vermisste der Angehörigen. Fast alle Kriegsopfer wurden in den Ländern ihres Kriegseinsatzes beerdigt.

Zwangsarbeiter-Gedenkstätte:
Für 130 auf dem Friedhof bestattete russische, polnische und litauische Zwangsarbeiter ist eine Gedenkstätte angebracht worden.


Gedenkstätte für Zwangsarbeiter 1944-1945

Der Friedhof an der Siegener Straße hat eine Größe von ca. 4,5 ha. Es gibt ca. 1.500 Grabstellen, die sich in die Grab-Arten: Erd-Wahl- und Erd-Reihen-Gräber, Urnen-Wahl- und Urnen-Reihen-Gräber, sowie Urnen-Rasen-Gräber unterteilen. 
Die Trauerhalle auf dem Friedhof hat 60 Sitzplätze.



Friedhofs-Übersichtskarte


Friedhof Kurmainzer Straße

Der „Alte Höchster Friedhof“ von 1885 an der Kurmainzer Straße ist heute der vierte Sossenheimer Friedhof, der in der Sossenheimer Gemarkung liegt. Höchst hatte die ca. 2,4 ha Land von Sossenheim damals enteignet. 1924 öffnete der neue Höchster Friedhof am Sossenheimer Weg, da der Kurmainzer Friedhof zu klein geworden war. Besonderheiten sind etwa das klassizistische Kruzifix (um 1850) mitten im Friedhof, der 1892 errichtete Obelisk zum Gedenken an die Gefallen des Krieges von 1870/71, sowie zwei weitere Kriegsopfergedenkstätten für Gefallene im 1. Weltkrieg mit Bronzetafel „1914-1918 in fremder Erde ruhen Dulce et Decorum est Pro Patria mori“ und weiter ein Rondell mit Grabkreuzen mit einem polygonalen Denkmal und Inschrift „1914 – RIP – Den in Feindesland ruhenden Kriegern aus Dankbarkeit der Stadt Höchst am Main“ und ein offenes Gräberfeld für sieben russische Kriegsgefangene.

Daneben stehen 44 alte unter Denkmalschutz stehende Grabmale Höchster Familien. Der Friedhof an der Kurmainzer Straße wird auch heute noch für Bestattungen von verstorbenen Sossenheimer und Höchster Einwohnern genutzt.